Die Wahl der optimalen Finanzierungsstruktur

Liquidität, Rentabilität und Sicherheit als Zielkonflikte?

Michael Grahammer ist Finanzexperte und Partner bei BDO und berät Unternehmer:innen seit vielen Jahren in Sachen Finanzierungen und Liquidität. Elke Schlosser ist Senior Managerin bei BDO und berät ebenso Unternehmen in Bezug auf Finanzierungsanalyse, Kapitalstrukturoptimierung, Infrastrukturprojektentwicklung und Projektfinanzierung u.v.m.
 

Im volatilen Fahrwasser aktueller Herausforderungen (Dekarbonisierung, Digitalisierung und Deglobalisierung) sowie des inhärenten Strukturwandels in unserer Gesellschaft stehen Unternehmen vor der dringenden Frage einer passenden Finanzierungsstruktur. Diese ist maßgeblich für den Unternehmenserfolg und die Möglichkeit, die gewünschte Unternehmensstrategie zu finanzieren.

Die Wahl der optimalen Finanzierungsstruktur ist durch Fragen zur Liquidität, Rentabilität und Sicherheit (Stabilität, Unabhängigkeit) geprägt und unterliegt dabei dem klassischen Zielkonflikt. Während und nach der Finanzkrise im Jahr 2008 wiesen Unternehmensbilanzen vielfach hohe Geldbestände auf, da Kapitalmarktzugänge stark eingeschränkt waren und Liquiditäts- bzw. Sicherheitsüberlegungen überwogen. Aus Sicherheitsüberlegungen gehaltene Geldbestände schmälern in aller Regel die Rentabilität, da sie nicht gewinnbringend investiert bzw. veranlagt werden können. Aktuell ist das andere Extrem zu beobachten, dass vereinzelt Unternehmen ihre Überschussliquidität in hochvolatilen Kryptowährungen veranlagen. Dies läuft der Empfehlung zur klassischen Anlagepyramide mit ausgewogenen Liquiditäts- und Sicherheitsüberlegungen zuwider.

Welche Faktoren bestimmen eine optimale Finanzierungsstruktur? Eine adäquate Liquiditätssicherung, die Optimierung der Kapitalkosten, Berücksichtigung von steuerlichen Auswirkungen, notwendiger Finanzierungsbedarf für Wachstum, Investitionen sowie M&A Aktivitäten, Risikomanagementüberlegungen, Überlegungen zur Marktwahrnehmung der eigenen Bonität und Kreditwürdigkeit sowie die Attraktivität für Investor:innen. Diese Faktoren stehen teilweise auch in Wechselwirkung. Der langfristige Unternehmensfortbestand wird nicht zuletzt durch eine kontinuierliche Sicherstellung der Liquidität gewährleistet.

Ein Learning aus Restrukturierungen im Immobilienbereich ist, dass neben Überlegungen zur Zinsabsicherung und damit einer besseren Planbarkeit, die Ausfinanzierung langfristig und unter Berücksichtigung aller Covenants von Kreditverträgen (z.B. Loan-to-value) gewährleistet sein muss. Aufgrund des aktuellen Zinsumfelds sollten langfristige Zinsfixierungen geprüft werden, um eine bessere Planbarkeit und damit erhöhte Sicherheit zu erzielen.

In einem Konzernverbund stellt sich zusätzlich die Frage, welche Gesellschaft konkret die Finanzierungen zu welchen Konditionen, Sicherheiten und Covenants aufnimmt. Gleiches trifft auf die Projektfinanzierung zu: Soll die Finanzierung über das Unternehmen selbst (on-balance) erfolgen oder ist aus Rentabilitäts- und/oder Sicherheitsüberlegungen eine ausgelagerte Projekt-/Zweckgesellschaft (off-balance/non-recourse) sinnvoller?

Bei jedem konkreten Investitionsvorhaben, unabhängig von der Unternehmensgröße, stellen sich u.a. Detailfragen nach einem optimalen Finanzierungsmix, Vertragsbedingungen, Bestellung von Sicherheiten, Vereinbarungen von (Financial) Covenants. Diese sind keineswegs trivial, können nur im Einzelfall geklärt werden und sind auf die jeweilige Unternehmensstrategie, die Anforderungen der Gesellschafter:innen sowie sonstiger Interessengruppen abzustimmen. Unausgewogene Finanzierungsstrukturen können im Worst-Case-Szenario die Insolvenzwahrscheinlichkeit dramatisch erhöhen bzw. zur Insolvenz führen. Eine fundierte Finanzplanung hingegen sichert nicht nur Liquidität und Investitionsmöglichkeiten, sondern langfristig den Fortbestand und das nachhaltige Wachstum des Unternehmens.