Welches Potential geschlechtersensible Forschung bereithält

Wissenschaft ist kein neutrales Feld. Dieser Satz klingt falsch, oder? Die Objektivität, die Forschung und Entwicklung gerne zugesprochen wird, kam aber ins Wanken, seit Genderdebatten sich dem Thema angenommen haben.

Diskutiert wird auf zwei Ebenen, die der wissenschaftlichen Infrastruktur und die der wissenschaftlichen Arbeit. „Gendersensitive Research“ denkt Wissenschaft neu: Wie muss man geschlechterspezifische Eigenschaften in der Forschung beachten? Wie schafft man ein Arbeitsumfeld, das allen Geschlechtern die gleichen Chancen einräumt? Und wer das Thema für medial aufgebauscht hält und jetzt wegklicken möchte, der muss sich eines vor Augen halten. Es geht nicht darum, Frauen als Opfer des Systems darzustellen. Es geht um eine sachliche Debatte. Und: Es geht um Wirtschaft.

 

Getting the definitions straight: “gender” does not mean “women”

Viel zu oft werden Genderdebatten mit Female Empowerment gleichgesetzt. Und während Forderungen wie Chancengleichheit Teil von Gendersensitive Research sind, will das Thema Licht auf so viel mehr versteckte Aspekte werfen. Geschlechter in der Forschung zu ignorieren ist schlichtweg unökonomisch. Es führt zu verpassten Marktchancen und hindert wirtschaftliches Potential. In der Medizin führen hauptsächlich männliche Testpersonen zu überdimensionierten Tabletten, die zu viel Wirkstoff für Frauen enthalten. Umgekehrt werden Männer seltener als Frauen auf Osteoporose untersucht, was Behandlung und Heilungschancen verschlechtert. Beispiele gibt es aber auch in anderen Sektoren.

In der Technik von männlichen Standards auszugehen, führt beispielsweise zu Hardware-Fehlern, die die User Experience behindern. Der durchschnittliche Smart-Phone-Bildschirm ist etwa zu groß für weibliche Hände. Und ja, auch das ist ein Genderthema, und hat nichts damit zu tun, dass größere Bildschirme einfach der nächste Entwicklungsschritt waren. Prognosen sagen nämlich voraus, dass diese nicht weiterwachsen werden. Grund: Die Grenzen der männlichen Hand wurden erreicht. Man muss kein Wirtschaftsexperte sein, um zu erkennen, welches Marktpotential einem entgeht, wenn man die halbe Erdpopulation als Zielgruppe außen vor lässt. Gender bedeutet also nicht Frau. Gender bedeutet Gesundheit. Gender bedeutet Wirtschaft. Und all das beginnt mit der Wissenschaft.

 

Vom Umgang mit Genderthemen

Das Problem von geschlechtsnegierenden wissenschaftlichen Erkenntnissen entsteht schon, bevor Forschungsarbeit überhaupt beginnt. Die gesellschaftliche Stellung der forschenden Person – Geschlecht, Einkommen, Herkunft, Alter – beeinflusst, welche Themen überhaupt erforscht werden, ob sie finanziert werden, mit welchen Methoden geforscht wird und wie die Findings schlussendlich analysiert werden. Auch die Relevanz und Bedeutung von Informationen wird zwangsläufig subjektiv beurteilt. Um in der Wissenschaft wahrhaftige Objektivität zu gewährleisten, muss man sich der eigenen Grundeinstellungen, Vorurteile und Vorlieben klar werden. Jeder Mensch sieht die Welt durch seine eigene Brille, aber um fundiert zu arbeiten, ist es notwendig, sich ihrer bewusst zu sein, denn ablegen können wir sie nie ganz, zu tief sind unsere (gender-)spezifischen Erfahrungen, die unser Weltbild prägen.

Nicht nur die Arbeit an sich, sondern auch das Arbeitsumfeld und die Arbeitsumstände müssen sich mit dem Genderthema auseinandersetzen. Egal, ob man eine Forschungseinrichtung ist oder als Unternehmen in Innovationen investiert. Hohle Phrasen über flexible Arbeitszeiten allein stellen noch kein chancengleiches Berufsleben her. Solange Arbeitszeitmodelle nicht auch für Führungskräfte funktionieren, müssen sich Menschen – vor allem Frauen – gezwungenermaßen zwischen Karriere oder Familie entscheiden. Und während Frauen so immer noch in die Betreuungspflicht gedrängt werden, haben viele Männer nicht einmal die Chance auf Zeit mit ihrer Familie. Papamonat und männliche Elternteilzeit sind auch heute noch die Ausnahme.

 

Inklusion entsteht nicht aus Copy/Paste-Formulierungen

Unternehmen, Forscherinnen und Forscher haben also mehr als genug Gründe, um sich in der Genderdebatte zu involvieren und mit gutem Beispiel voranzugehen. Einerseits aus moralischer Verpflichtung für eine bessere Zukunft, andererseits, weil es sich wirtschaftlich lohnt. Jahrzehntelanges Negieren von geschlechtsspezifischer Forschung, Entwicklung und Innovation haben unangetastetes Marktpotential hinterlassen, das nur darauf wartet, ausgeschöpft zu werden.

Wer im Zuge dessen auf Förderungen für sein F&E&I-Projekt hofft, der kommt ohnehin nicht mehr an Gendersensitive Research vorbei. Viele verstehen immer noch nicht, dass dieses Thema nicht mit heißer Luft abgetan werden kann, und verlieren in Förderanträgen viele Bewertungspunkte an ihre Ignoranz. Schon ab 2022 ist die Einhaltung des Leitfadens zur Erstellung von Gender Equality Plänen deshalb für alle Ansuchenden verpflichtend. Aber auch schon jetzt kann man folgende Checkliste für geschlechtersensible Forschung umsetzen und in seinem Förderantrag kommunizieren, um gute Chancen auf Förderung zu haben:

  1. Anerkennen der eigenen Einstellungen und Voreingenommenheit
  2. Identifikation der sozialen und menschlichen Variablen des Forschungsobjektes/der Innovation
  3. Ermöglichen eines konzeptionellen Rahmens, der Erfahrungen von Männern und Frauen in Betracht zieht
  4. Entwickeln einer geschlechtersensiblen Methodik
  5. Zusammenstellen eines geschlechtergerechten Forschungsteams
  6. Auswählen einer geschlechtergerechten Stichprobe
  7. Verwenden und Erstellen von nach Geschlecht aufgeschlüsselten Daten
  8. Durchführen einer geschlechtsspezifischen Analyse
  9. Verwenden einer geschlechtergerechten Sprache in Berichten und Kommunikation

 

Zeit für systematischen Wandel

Schon Schopenhauer sagte: „Die Ethik ist in Wahrheit die leichteste aller Wissenschaften.“ Es stellt sich aber heraus, dass es gar nicht der Anstand ist, den man braucht, um geschlechterinklusive Wissenschaft zu betreiben. Es ist bloß der Verstand. Es liegt auf der Hand, dass objektive Wissenschaft auch objektive Betrachtung braucht, statt einseitiger. Dass dieser These auch noch wirtschaftliches Potential entspringt, sollte noch die letzten Zweifel beseitigen. Denn nur so können wir den Satz wieder richtigstellen und Wissenschaft endlich neutral werden lassen.

Für weitere Checklisten für Ihren Förderantrag, klicken Sie jetzt hier auf unsere Homepage und sichern sie sich optimale Förderchancen!

 


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