Neuer BMF-Erlass zur Suspendierung des DBA durch Russland

Das BMF hat am 30.5.2024 auf die Suspendierung des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Russischen Föderation mit einem neuen Erlass reagiert – unter bestimmten Voraussetzungen ist die Anrechnung von in Russland einbehaltener Steuer in Österreich gem. § 48 Abs. 5 BAO möglich!

Ausgangslage

Österreich reagierte am 6.12.2023 auf die teilweise Suspendierung des DBAs Österreich-Russland, die Russland am 8.8.2023 veröffentlicht hat. Durch sie wurden sämtliche Verteilungsnormen im DBA Österreich-Russland ausgesetzt. Österreich ist folglich nicht daran gehindert, im Verhältnis zu Russland uneingeschränkt nach den Regelungen des österreichischen nationalen Rechts zu besteuern. Auch wenn der Methodenartikel selbst zwar nicht von der Suspendierung betroffen ist, besteht auf Seiten Österreichs keine Verpflichtung mehr, Einkünfte aus Russland in Österreich zu befreien bzw. eine etwaige russische Steuer in Österreich anzurechnen, da die Verteilungsnormen nicht mehr anwendbar sind. Hierüber wurden Sie bereits im Detail hier informiert. 

Aufgrund zahlreicher Fragestellungen zu dieser Suspendierung veröffentliche das BMF am 30.5.2024 nun einen neuen Erlass, um eine einheitliche Vorgangsweise der Finanzbehörden in diesem Zusammenhang sicherzustellen. Es wird darin zunächst die bisherige BMF-Info vom 6.12.2023 (2023-0.867.389) wiederholt und sodann auf das Inkrafttreten der Suspendierung von Seiten Österreichs sowie auf die Möglichkeit zur unilateralen Entlastung gem. § 48 Abs. 5 BAO eingegangen. Die alte BMF-Info vom 6.12.2023 wurde damit aufgehoben.

Inkrafttreten der Suspendierung

Die Aussetzung der suspendierten Bestimmungen im Doppelbesteuerungsabkommen mit Russland ist seit dem 7.12.2023 wirksam. Seither besteht für Einkünfte keine Abkommensberechtigung mehr. Das BMF führt in dem Erlass vom 30.5.2024 folgenden Beispielfall an, um die zeitliche Komponente der Suspendierung zu veranschaulichen: 

Ein in Russland ansässiger (beschränkt steuerpflichtiger) Investor bezieht am 5.8.2023 eine Dividende von einer in Österreich ansässigen AG. Zum Zeitpunkt, an dem die Dividendeneinkünfte dem Steuerpflichtigen zugerechnet werden, sind die Bestimmungen des DBAs Österreich-Russland noch nicht ausgesetzt. Eine allfällige KESt-Rückerstattung auf Basis von Art.10 DBA Österreich-Russland kann daher auch nach dem 6.12.2023 unter den Voraussetzungen des § 240 Abs. 4 i.V.m. § 240a BAO beantragt werden. Wird hingegen die Dividende erst nach dem 6.12.2023 bezogen, ist eine KESt-Rückerstattung nicht mehr möglich. 
Sollten Einkünfte nicht auf einen bestimmten Tag abgegrenzt werden können, ist es gem. BMF aus Vereinfachungsgründen zulässig, eine formelhafte Aufteilung der Einkünfte pro rata temporis (monatlich) vorzunehmen.

Unilaterale Beseitigung der Doppelbesteuerung

Da aufgrund der Suspendierung der Verteilungsnormen des DBAs sowohl Österreich als auch Russland uneingeschränkt nach ihrem jeweiligen nationalen Recht besteuern dürfen und Österreich russische Einkünfte nicht mehr nach dem DBA von der Besteuerung freizustellen hat, wird in vielen Fällen eine Doppelbesteuerung die Folge sein. Das österreichische BMF hat nun im Rahmen des Erlasses vom 30.5.2024 klargestellt, dass bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 5 BAO antragsbezogen eine unilaterale Entlastung von der Doppelbesteuerung gewährt werden kann. Die Bewilligung der Entlastungsmaßnahme liegt jedoch im Ermessen der zuständigen Behörde.
Die zuständige Behörde hat die Anträge unter den Gesichtspunkten der Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu beurteilen. Die von der Behörde zu berücksichtigenden Billigkeitsgesichtspunkte umfassen u.a. die Art und Schwere der Steuerbelastung des:der betroffenen Abgabepflichtigen mit in- und ausländischen Steuern. Billigkeit liegt gem. BMF vor, wenn die in Russland erhobene Steuer im Verhältnis zur Gesamtsteuerlast des:der Steuerpflichtigen lediglich gering ausfällt. Im Rahmen der Zweckmäßigkeit hat die Behörde das öffentliche Interesse an der Einbringung einer Abgabe zu prüfen. Nicht zweckmäßig ist es, von EU-Sanktionen betroffene oder nicht in Österreich ansässige Einzelpersonen und Unternehmen im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 48 Abs. 5 BAO unilateral zu entlasten. 

Antragsbestandteile

Um eine Anrechnung der in Russland erhobenen Steuer gemäß § 48 Abs. 5 BAO zu erreichen, hat der:die Steuerpflichtige einen Antrag auf Entlastung der ausländischen Steuer zu stellen. Dieser Antrag hat zumindest folgende Elemente zu umfassen: 
u    Name und Steuernummer des:der Abgabepflichtigen
  • Sachverhaltsdarstellung inklusive eigener rechtlicher Würdigung
  • Angaben inkl. geeigneter Dokumentation (z.B. übersetzte Steuerbescheide, Nachweis der Steuerzahlung) über die bereits eingetretene, juristische Doppelbesteuerung
  • Darlegung der Erforderlichkeit einer unilateralen Entlastungsmaßnahme
  • Erklärung des:der Abgabepflichtigen, dass er:sie nicht von EU-Sanktionen betroffen ist (sowie ggf. eine solche Erklärung des Unternehmens, das die der unilateralen Entlastung zugrundeliegenden Vergütungen auszahlt)
  • Ordnungsgemäß geführtes Verzeichnis betreffend die russische(n) Einkunftsquelle(n), das unter geordnetem Hinweis auf die den Eintragungen zugrundeliegenden Belege folgende Angaben zu enthalten hat:
    •  Art der Einkünfte (Einkunftsart und geschäftsübliche Bezeichnung)
    • Höhe der Einkünfte unter Hinweis auf eine Berechnungsunterlage, in der die Ermittlung der Höhe der Einnahmen (Betriebseinnahmen) sowie der Werbungskosten (Betriebsausgaben) nach österreichischem Recht dargestellt ist 
    • Höhe der anrechenbaren ausländischen Steuer und Darstellung der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags
    • Angabe über die zeitliche Zuordnung (Zeitpunkt oder Zeitraum des Zuflusses oder der gewinnerhöhenden Erfassung in der Buchhaltung)

Für die Bearbeitung des Antrags gem. § 48 Abs. 5 BAO auf unilaterale Entlastung der Doppelbesteuerung für aus Russland bezogene Einkünfte ist das für den:die Abgabepflichtige:n zuständige Finanzamt verantwortlich. 

Handlungserfordernis bei Russlandbezug

In Österreich unbeschränkt steuerpflichtige Personen und Unternehmen mit Russlandbezug sollten jedenfalls im Detail analysieren, ob sie aufgrund der teilweisen Suspendierung des DBAs Österreich-Russland von einer Doppelbesteuerung betroffen sind. Betroffene haben dann zu prüfen, ob sie die Voraussetzungen für die unilaterale Entlastung gem. § 48 Abs. 5 BAO erfüllen und ein diesbezüglicher Antrag gestellt werden kann. Der Antrag hat detaillierte Angaben zur Steuerpflicht, Belege über die in Russland gezahlten Steuern, eine rechtliche Würdigung des Sachverhalts sowie eine Erklärung zur Nichtbetroffenheit von EU-Sanktionen zu enthalten.

Gerne unterstützen wir Sie hierbei und helfen Ihnen bei der Aufbereitung eines solchen Antrags!

 

Autor:innen: 
 

Christina Höchtl
christina.hoechtl@bdo.at
+43 5 70 375 - 1518

     

Matthias Müllner
matthias.muellner@bdo.at
+43 5 70 375 - 1099