Transparente Arbeitsbedingungen: Arbeitsrechtliche Änderungen beschlossen.

Aufgrund der Umsetzung der EU-Richtlinie vom 20.6.2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (Richtlinie (EU) 2019/1152) wurden in der Nationalratssitzung vom 28.2.2024 arbeitsrechtliche Neuerungen beschlossen, die mit 28.3.2024 in Kraft getreten sind. Diese beziehen sich insbesondere auf die Mindestinhalte von Dienstzetteln bzw. Dienstverträgen, das Recht auf Mehrfachbeschäftigung sowie die Übernahme von Aus- und Fortbildungskosten.  

Dienstzettel: mehr Transparenz und umfassende Informationen für Arbeitnehmer:innen

Im Rahmen der Änderungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) wurden die gesetzlichen Mindestinhalte für Dienstzettel erweitert. Zukünftig müssen demnach neben den bislang erforderlichen Mindestinhalten der Sitz des Unternehmens, eine kurze Tätigkeitsbeschreibung, die Überstundenvergütung, die Art der Lohnauszahlung, die Dauer und Bedingungen der Probezeit sowie ein Hinweis auf das Kündigungsverfahren angegeben werden. Ein Dienstzettel soll künftig auch für Dienstverhältnisse, die kürzer als einen Monat dauern, „unverzüglich“ ausgehändigt werden müssen, wobei Arbeitnehmer:innen ebenso eine elektronische Form des Dienstzettels wählen können. Die vorgeschlagenen Änderungen gelten ausschließlich für ab Inkrafttreten des Gesetzes neu begründete Dienstverhältnisse, um einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand durch die Neuausstellung bereits verwendeter Dienstzettel zu vermeiden.

Obige Änderungen werden im ABGB für freie Dienstverhältnisse, im AÜG für den Bereich der Arbeitskräfteüberlassung, im Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz sowie im Heimarbeitsgesetz vollzogen und gelten auch für länger als einen Monat andauernde Auslandstätigkeiten.

Recht auf Mehrfachbeschäftigung

Eine Nebenbeschäftigung ist nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bereits bisher dem Grunde nach zulässig und darf arbeitgeber:innenseitig nicht untersagt oder eingeschränkt werden, sofern die Nebenbeschäftigung aus Sicht des Hauptarbeitsverhältnisses nicht vertrags- oder gesetzwidrig ist und die daraus entspringenden Arbeitspflichten nicht beeinträchtigt werden. In der umzusetzenden EU-Richtlinie wird allerdings explizit normiert, dass den Arbeitnehmer:innen die Aufnahme einer Nebenbeschäftigung nicht verboten werden darf und diese aufgrund der Aufnahme einer Nebenbeschäftigung nicht benachteiligt werden dürfen.

Aus diesem Grund wurde im AVRAG ein Recht auf Mehrfachbeschäftigung verankert. Grenzen sollen weiterhin insoweit bestehen, als dass die Nebenbeschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis abträglich (z.B. aufgrund einer negativen Beeinträchtigung des Hauptarbeitsverhältnisses oder der Ausübung einer konkurrierenden Tätigkeit) oder mit arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen, wie insbesondere den Höchstgrenzen der Arbeitszeit (siehe § 9 AZG), unvereinbar ist. Zudem wird ausdrücklich klargestellt, dass mit dieser Regelung nicht in das in § 7 Abs. 1 AngG normierte Konkurrenzverbot eingegriffen wird.
Vorsicht ist in diesem Zusammenhang speziell bei der Beschäftigung von Arbeitnehmer:innen mit ständigem Wohnsitz im Ausland geboten. Aufgrund der Möglichkeit einer Nebenbeschäftigung im Ausland könnte es zur Verlagerung der Sozialversicherungszuständigkeit aus Österreich in den EU-Wohnsitzstaat kommen, was für österreichische Arbeitgeber:innen wegen der Sozialversicherungspflicht im Ausland mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand in der Personalverrechnung verbunden ist.


Es bestehen somit (innerhalb der gesetzlichen Grenzen) nach wie vor Möglichkeiten, die Ausübung einer Nebenbeschäftigung zu untersagen. Eine tatsächliche „Ausweitung“ des Rechts eines:r Arbeitnehmers:in auf Aufnahme einer Nebenbeschäftigung ist somit unwahrscheinlich.

Fortbildungen als Arbeitszeit und Kostentragung durch den:die Arbeitgeber:in

Art 13 der RL (EU) 2019/1152 sieht eine durch die Mitgliedstaaten umzusetzende Verpflichtung für Arbeitgeber:innen vor, ihren Arbeitnehmer:innen kostenlos Fortbildungen anzubieten und die Teilnahme als Arbeitszeit zu werten, wenn für den:die Arbeitgeber:in eine unionsrechtliche oder gesetzliche bzw. kollektivvertragliche Verpflichtung besteht, Arbeitnehmer:innen Fortbildungen im Hinblick auf jene Arbeit anzubieten, die sie ausüben.

Diese Bestimmung wurde mit dem neu eingefügten § 11b AVRAG umgesetzt und normiert, dass Aus-, Fort- und Weiterbildungen als Arbeitszeit gelten und seitens des:der Arbeitgeber:in bezahlt werden müssen, sofern diese aufgrund gesetzlicher Vorschriften, Verordnungen und Normen der kollektiven Rechtsgestaltung (= Kollektivverträgen) oder des Dienstvertrags für die Ausübung der vertraglich vereinbarten Tätigkeit erforderlich sind. Die für die Erlangung, Aufrechterhaltung oder Erneuerung einer Berufsqualifikation erforderlichen Aus- und Fortbildungsveranstaltungen sind von dieser Verpflichtung ebenso umfasst, wenn der:die Arbeitgeber:in aufgrund unionsrechtlicher oder nationaler Rechtsvorschriften (wie etwa auch Kollektivverträgen) dazu verpflichtet ist, diese dem:der Arbeitnehmer:in zu ermöglichen.

Ob eine konkrete Aus-, Fort- oder Weiterbildung unter den Anwendungsbereich des § 11b AVRAG fällt und somit vom Arbeitgebenden zu finanzieren und die Teilnahme an dieser Bildungsmaßnahme als Arbeitszeit zu werten ist, ist eine Einzelfallentscheidung. Ausschlaggebend ist jedoch, ob eine bestimmte Bildungsmaßnahme aufgrund einer der im Gesetz genannten Rechtsquellen für die vertraglich vereinbarte Tätigkeit erforderlich ist. In diesem Zusammenhang kommt der Dienstvertragsgestaltung und insbesondere der konkreten Beschreibung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit(en) besondere Bedeutung zu.

In den erläuternden Bemerkungen wird festgehalten, dass die Fortbildungskosten den Arbeitnehmer:innen weder in Rechnung gestellt noch vom Entgelt einbehalten oder abgezogen werden dürfen. Somit stellt sich die Frage, ob diese Regelung so weit geht, dass diese dem Abschluss einer Ausbildungskosten-Rückersatzvereinbarung entgegensteht und sich auch auf bestehende Vereinbarungen mit Nichtigkeit auswirkt. Diesbezüglich bestehen aktuell divergierende Ansichten in der Literatur, weshalb auf eine Konkretisierung des Gesetzgebers und baldige Entscheidungen der Gerichte zu hoffen bleibt.

Verwaltungsstrafen, Diskriminierungsverbot und Motivkündigungsschutz

In Zusammenhang mit den neuen Vorgaben betreffend die Ausstellung und die konkreten Inhalte von Dienstzetteln wurden Verwaltungsstrafen normiert, um die Einhaltung der neuen gesetzlichen Regelungen sicherzustellen. Die Nichtaushändigung eines Dienstzettels soll künftig mit Geldstrafen von EUR 100 bis EUR 436 bzw. bei mehr als 5 betroffenen Arbeitnehmer:innen oder mehrfacher Übertretung zwischen EUR 500 und EUR 2.000 sanktioniert werden. Nach 3 Jahren ist eine Evaluierung durch den Arbeitsminister vorgesehen.
 

Außerdem wurde ein Diskriminierungsverbot eingeführt, das Arbeitnehmer:innen, die ihre Ansprüche betreffend Dienstzettel, Mehrfachbeschäftigung oder Fortbildungen geltend machen, schützen soll. Personen, die aufgrund solcher Anliegen gekündigt werden, sollen künftig das Recht auf eine schriftliche Begründung ihrer Kündigung haben und eine Kündigung, die in Zusammenhang mit der Forderung eines Dienstzettels oder einer zulässigen Nebenbeschäftigung steht, in weiterer Folge (unter sinngemäßer Anwendung des § 105 Abs. 5 ArbVG) vor Gericht anfechten können.

 
 

Autorin:

Claudia Rombold
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